Rede zum Haushalt 2024 der Stadt Nordhorn für die Gruppe SPD/Grüne/Linke

Herr Ratsvorsitzender, Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren!

Für unsere Gruppe machen Mathias Meyer-Langenhoff und ich abwechselnd die

Haushaltsrede, dieses Jahr bin ich dran.

 

Wir leben in schwierigen Zeiten: Ukraine, Inflation, Nahost. Das verdunkelt unsere Sicht

nach vorne, aber das Hier und Jetzt in unserer Stadt sind erstklassig. Das Positive müssen

wir deutlich machen, ohne Schönfärberei, und dabei durchaus konstruktive Kritik zulassen.

Wir haben eine sagenhafte Entschuldung hinter uns: nach dem letzten Jahresabschluss

2022 hatte die Stadt 39,6 Mio. € an Liquidität. Dem standen gegenüber noch nicht getilgte

Schulden von 12,8 Mio. € und Haushaltsausgabereste von 28 Mio. €. Das ist toll! Das ist

sehr gut! Der Bürgermeister spricht hier immer von einer gemeinsamen Leistung von Rat

und Verwaltung. Ja, das ist ok, aber wir möchten doch an dieser Stelle unserem Kämmerer

und seinem Team besonders danken und unsere Anerkennung aussprechen. Ebenso für die

wie in allen Jahren zuvor erstklassige Begleitung unserer Haushaltsberatungen.

In den letzten Jahren hat der Bund viel mit neuen Schulden finanziert. Auch wir haben

hiervon profitiert, sowohl im Finanzausgleich als auch bei Förderprogrammen z.B. für unsere

Innenstadt. Das geht nun zu Ende, es kommen schlechtere Haushaltsjahre.

Ja, die Ausführungen unseres Kämmerers zu einer Grundsteuererhöhung sind logisch, weil

bei steigenden Immobilienwerten die relative Belastung aus einer unveränderten

Grundsteuer sinkt. Aber brauchen wir jetzt eine Einnahmeverbesserung? Der Haushalt für

2024 dreht ins MInus mit über 600.000 Euro. Diese Planzahl ist neu, aber nicht dramatisch

wegen der bisherigen Entschuldung. Wir können eine Neuverschuldung im einstelligen

Millionen-Bereich verkraften. Aber das ist kein Ziel!

Der von der Verwaltung vorgestellte Haushaltsentwurf war ausgewogen, und er schreibt

Investitionen fort. Das war ja auch ein Merkmal der von allen getragenen Politik, dass wir

immer auch investiert haben. Auch ist es normal, dass Politik mehr will als stattfindet.

Deshalb gab es von unserer Gruppe mehrere Anträge, auf die ich als Zeichen unseres

politischen Handelns zu sprechen komme. Der “dickste Brocken” betrifft die frühkindliche

Bildung.

Kita-Plätze fehlen – das war schon immer so. Klar, es gab ein großes Bauprogramm und so

entstanden viele neue Plätze. Aber es fehlen immer noch über 200 Plätze! Das ist nicht

akzeptabel.

Während des Neubau-Programms wurden auch Plätze abgebaut. Das war keine

Überraschung, denn der Fehler war, dass man Nachmittagsplätze gleichwertig mitzählte. Die

wurden abgebaut, was doch klar war. Einen Platz in den Nachmittagsgruppen nahmen fast

nur Eltern, die keinen Vormittagsplatz bekamen. Man diente sich hoch von der

Nachmittagsgruppe in die Vormittagsgruppe. Zudem war das fürs Personal schon eine arge

Belastung: morgens gut 4 Stunden die Vormittagsgruppe, anschließend 4 Stunden

Nachmittagsgruppe. Das war also voraussehbar, aber in der Kita-Planung wird das negiert.

Warum sind wir immer zu spät? Ich kann Ihnen den Rückblick auf die Sitzung am 27.4.2021

nicht ersparen, weil genau diese Argumentation von Verwaltung und Ratsmehrheit immer so

war: noch nicht, vermutlich reicht es doch – oder wörtlich: “dass Stand heute die aktuell in

der Umsetzung befindlichen Vorhaben ab 2022 zu einem die Nachfrage abdeckenden

Platzangebot führen.” Und dann wird zu Jahresbeginn 2023 festgestellt, dass über 200

Plätze fehlen.

Das ist die Vergangenheit. Jetzt gibt es eine neue Mehrheit. wie auch der gemeinsame

Antrag unserer Gruppe mit dem Bürgerforum zu einer neuen Kita-Politik zeigt.

Als Korrektur der Beratung im April 2022 wurden 2 weitere Kita-Neubauten beschlossen,

aber bis die Neubauten fertig sind, wird es 2026 werden. Deshalb müssen wir kreativ und

schnell Lösungen jenseits von Neubauten suchen – egal, ob Tagesmütterangebote,

zusätzliche Kleingruppen oder normal große Gruppen in Umbauten oder mittels Bauträgern,

die sich ja derzeit im Wohnungsbau zurücknehmen. Auch dazu haben wir die erforderlichen

Anträge gestellt und freuen uns über die konstruktive Reaktion der Verwaltung. Kurzum: Wir

brauchen Lösungen! Wir erwarten von der Verwaltung, dass sie alles macht, was möglich

ist, um schneller zusätzliche Betreuungsplätze zu schaffen.

Auch haben wir mit dem vorgenannten gemeinsamen Antrag eine Nordhorner

Kita-Konferenz ins Leben gerufen, um endlich zu einem strukturierten Dialog zwischen

Politik, Verwaltung, Kita-Trägern und Einrichtungsleitungen zu kommen. Wir erwarten, dass

die erste Kita-Konferenz nun im ersten Quartal stattfindet. Dabei wollen wir zuhören, was wir

noch besser machen können. Das dringendste Problem der Kitas ist deren Personalmangel.

Wir müssen uns fragen, was können wir über die durch uns initierte Fachkräftekampagne

noch weiter tun? Wo können wir helfen, wie können wir unterstützen.

Auch beim Thema Ganztagsbetreuung in der Grundschule sind wir gefordert, und zwar

zügig. Das Land hat den Entwurf einer Förderrichtlinie vorgestellt. Bund und Land stellen

hier Fördermittel für Investitionen von 536 Mio. Euro zur Verfügung – und wir haben dazu

bisher keine Pläne, wie wir den Rechtsanspruch ab 2026 umsetzen wollen. Dazu müssen

wir im ersten Halbjahr 2024 zu Entscheidungen kommen.

Noch mal zum Thema Bildung: Wir sind sehr froh, dass unser Antrag für

Schulsozialarbeiterstellen an den bisher nicht versorgten Grundschulen nun von allen im

Rat getragen wird. Wir bitten die Verwaltung, die Stellen zügig auszuschreiben. Das Land ist

hier in der Pflicht, und es wird in den nächsten Jahren die von uns geschaffenen Stellen

durch eigenes Personal ersetzen.

Es fehlen Wohnungen, und das ist ein sehr ernstes Problem für viele Gruppen unserer

Bevölkerung. Das hat natürlich damit zu tun, dass wir Wachstumsregion sind, aber auch mit

Demografie. Wir haben zunehmend mehr kleine Haushalte, zudem Zuwanderung. Auch

Dank des großen Einsatzes unserer Stadtverwaltung haben wir bisher die Unterbringung

von Flüchtlingen, auch aus der Ukraine, bisher so meistern können, dass wir keine

Massenunterkünfte bauen mussten. Aber die Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt kann

niemand abstreiten, ebenso, dass Unterbringung noch nicht Integration ist. Auch fehlen

Kita-Plätze, und für mehr Sprachkurse fehlen Lehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache.

Auch die Integration in den Arbeitsmarkt ist keine Erfolgsgeschichte. Gut ist, dass die Stadt

schon frühzeitig die Betreuung der Flüchtlinge mit eigenem Personal angegangen ist und

sich nicht auf das DRK verlassen hat. Aber ob die hohen Zahlen der Flüchtlinge und die zur

Verfügung stehenden Ressourcen für eine gelingende Integration ausreichen, ist aus

unserer Sicht fraglich. Dazu gab es aber leider im SJISO keine Mehrheit für einen

zusätzlichen Handlungsansatz.

Beim Wohnungsbau stellen wir mit Freude fest, dass das Bauvorhaben der GEWO an der

Frensdorfer Schule voran kommt. Aber sonst sieht es schlecht aus, weil die GEWO nur

wenig baut und die großen Bauleistungen der privaten Bauträger derzeit durch die Kosten-

und Zinsentwicklung zum Erliegen kommen. Unsere Initiative zum Kita-Bau soll auch hier

helfen, Gebäude zu schaffen mit Kita im Erdgeschoss und Wohnungen oben drüber. Das

kann für einen Bauträger die Finanzierung eines solchen Projekts erleichtern. Wir wollen den

Dialog mit den Bauträgern, um gemeinsam Lösungen für mehr Wohnungsbau zu finden.

Die GEWO ist ein toller Vermieter. Sie leistet eine sehr gute Bewirtschaftung des

Bestandes. Aber wir bleiben in der Verantwortung, die Bauleistung der GEWO zu steigern.

Die GEWO hat Grundstücke, ich erinnere an die Strampelspitze. Das Problem ist die

Neubauleistung – jetzt ist der Zeitpunkt, eine neue technische Leitung zu suchen – auch mit

Blick auf eine neue Geschäftsführung in 2025, wo in 2024 die Weichen gestellt werden

müssen.

Eine Stadt lebt auch von und mit ihrer Innenstadt. Hier machen wir sehr viel, auch hier dank

der sehr engagierten Teams im Bauamt und in der Wirtschaftsförderung. Der Stadtpark und

der Spielplatz am Püntendamm wurden erneuert, das Projekt Hafen kommt voran. Es geht

darum, dass alle Jahre in der Innenstadt ‘was Neues zu sehen sein wird, auch baulich. Das

leistet das Hafenprojekt. Aber es geht nicht nur ums Bauen.

Ich nenne die Vermarktung. Beim VVV ging es voran mit der Digitalisierung eigener

Dienstleistungen. Ein umfassendes digitales Marketing wird angesetzt, wie wir es vor 2

Jahren beantragt hatten. Dazu gibt es jetzt den Digitalisierungsfahrplan, und endlich

konnte auch die Stelle besetzt werden. Hier besonderen Dank an die Wirtschaftsförderung,

die ohne diese neue Stelle den Fahrplan dennoch voran brachte. Auch Fördermittel konnten

eingeworben werden. Auch wenn es gedauert hat: da sind wir jetzt hervorragend aufgestellt,

im nächsten Jahr kann geliefert werden.

Ein anderes Thema ist der Bootsverkehr. Boote kann man auch mittels App ohne Personal

mieten. Die Technik hat der VVV nun angeschafft. Unser Bürgermeister hatte bereits 2011

die Idee zu einer Art Liniendienst, in Venedig heißt das Vaporetto. Aber warum ist die

Umsetzung so schwer? Daran sollte unserer Meinung nach in 2024 gearbeitet werden.

2024 werden es 50 Jahre sein, dass Nordhorn durch Eingemeindungen größer wurde.

Daran gilt es, zu erinnern. Unser Antrag, dafür Mittel bereit zu stellen, wurde von Rat und

Verwaltung sehr gut aufgenommen und so freuen wir uns auf die Aktivitäten, die da

kommen.

Auch in den Stadtteilen geht es voran. Das Neubaugebiet Oorde-Süd kommt, in der

Blumensiedlung und in der Blanke geht der Stadtumbau weiter, auch am Bahnhof. Die

Straßenerneuerung geht einher mit immer mehr besseren Radverbindungen. Wir haben viel

erreicht, wir sind anerkannte und ausgezeichnete Fahrradstadt. Deshalb wollen wir eine

Fortschreibung des Radverkehrskonzepts. Dazu gehören auch Fahrrad-Container für

E-Bikes.

Natürlich bleibt der Klimaschutz unser Thema. Was ist da in diesem Jahr in der politischen

Kommunikation falsch gelaufen! Ich zweifle mittlerweile daran, dass wir es in Deutschland

schaffen, eine rational fundierte Politik zu diskutieren, weil alles ganz schnell in Mißkredit

gebracht wird. Es ist logisch, erst einmal zu klären, in welchen Gebieten es Möglichkeiten

z.B. für ein Wärmenetz geben kann. Dafür machen wir nun eine kommunale

Wärmeplanung – und das stand auch im Koalitionsvertrag. Aber warum wurde dann im

Sommer nur über Wärmepumpen geredet? Wir hier in der Stadtpolitik handeln rational und

haben bereits Anfang 2022 die Entscheidung getroffen für die Stelle kommunale

Wärmeplanung. Das wird nun gemacht, natürlich in enger Zusammenarbeit mit unserer nvb

GmbH.

Unsere Stadtwerke haben einen erstklassigen Jahresabschluss geschafft und damit alle

Risiken aus der Beteiligung an dem Kohlekraftwerk abdecken können. Aber wir haben

Stadtwerke nicht nur als Finanzbeteiligung, sondern weil wir sie für die Energiewende vor

Ort brauchen: Wärmenetze – Ertüchtigung der Stromnetze – Projekte der regenerativen

Energieerzeugung mit Photovoltaik und Windenergie. Das erfordert eine Transformation

auch im Unternehmen, auch mehr Personal, auch mit neuen Qualifikationen. Das ist ein

Prozess, wie er in keiner Verwaltung stattfindet: der Ertragsbringer Gas hat keine Zukunft,

riesige Investitionen in Wärmenetze, Wind- und Solarparks, in die Verstärkung und

Digitalisierung der Stromnetze. Das ist ganz viel auch neue Technik, und das muss auch

finanziert werden. Auch da sind nur sehr wenige Kommunen besser. Da sind wir sicherlich

besser aufgestellt als 90% der anderen Städte.

Dass nvb nun den “Ballon” mit der mitteltiefen Geothermie platzen ließ, ist rein

kaufmännisch nachvollziehbar. Aber das Ergebnis ist letztlich inakzeptabel. Erstens: politisch

hinsichtlich des Verfahrens zum Grundstücksverkaufs des Post-Grundstücks, auch wenn

das rechtlich alles “safe” ist. Wie wir das zukünftig handhaben, müssen wir im Vorfeld der

Vermarktung der Baufelder am neuen Hafenbecken diskutieren. Zweitens: inhaltlich

brauchen wir für Innenstadt, Blumensiedlung und Blanke Wärmenetze, weil auf Grund der

dort vorhandenen Siedlungsstrukturen keine andere Möglichkeit besteht, vom Gas

wegzukommen. Es geht nicht an, das Projekt Geothermie ohne Alternative abzublasen.

Wärmenetze können nicht nur mit mitteltiefer Geothermie arbeiten, es gibt auch andere

Möglichkeiten, z.B. Groß-Wärmepumpen, wie sie in Dänemark schon seit langem eingesetzt

werden. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass nvb in die Projektierung von Wärmenetzen

parallel zur Wärmeplanung investiert. Wir sagen als Gruppe deutlich: nvb muss liefern!

Ein Detail ist dann der Ausbau der Ladeinfrastruktur: der Bund sagt klar, dass die

eigenwirtschaftliche Entwicklung nicht ausreicht. Deshalb geht er voran mit einem

„Deutschland-Netz“ an Schnellladesäulen. Auch nvb macht was, aber wir wollen mehr,

deshalb unser Antrag zu 5 weiteren Ladesäulen, an Stellen, wo es sich noch nicht rechnet.

Unsere Gruppe dankt Ihnen allen für eine allzeit angenehme Zusammenarbeit. Weiter so

zum Wohle unserer Stadt!

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